Der Zweite Weltkrieg ist auch an der Stadt Egeln nicht spurlos vorüber gegangen. Zeitungsarchive sind dazu nicht mehr zugänglich, teilte der Museumsleiter Uwe Lachmuth mit. Der ehemalige Ehrenbürger der Stadt, Hans Grube, hat in seinen Erinnerungen dazu eine Menge von Informationen festgehalten. Im Jahr 1944, so zeichnete er auf, war die vermeintliche Ruhe in Egeln plötzlich zu Ende. Am 22. Februar 1944 heulten gegen 13.30 Uhr die Sirenen. Das hieß damals „Fliegeralarm“. „Und schon waren die Flugzeuge heran und über uns. Es waren etwa 30 Bomber, die unsere Stadt überflogen. Sie kamen aus Richtung Tarthun und wollten scheinbar nach Halberstadt. Dann noch zwei Nachzügler am Himmel, der eine zog eine dicke Rauchwolke hinter sich her. Aber dann: Ein Pfeifen und Rauschen in der Luft und Qualm-Wolken vom ,Weißen Schwan‘ bis Pilz an der Magdeburger Straße. Die beiden Flieger hatten wohl eher Restlasten los werden wollen. Bombentreffer auf dem Gelände der Gasanstalt, wobei die großen, weithin sichtbaren Gasbehälter nicht getroffen wurden.
Die nächste Bombe fiel in das Doppelhaus Katerbau Schnaak, weitere auf die Straße und den Fußweg vor Kückenthals neuem Haus. Eine Bombe traf den Büroanbau des Rechtsanwalts Wiegleb, ein Blindgänger das Wohnhaus der Familie Gosse an der Ecke zur Wiesenstraße. In Wieglebs Garten und hinter Bethges Haus schlugen weitere Treffer ein, die letzten hinter dem Hof des Bauers Westphal. Bei Katerbaus wurde das Haus bis auf die Vorderfront zertrümmert.
Ein Kind, welches in der Küche war, fand den Tod. Die anderen Bewohner konnten
aus den Balkentrümmern geborgen werden. Rechtsanwalt Wiegleb kam mit dem Schrecken davon, weil er auf dem Sofa in der Wohnung seinen Mittagsschlaf gehalten hatte. Seine Büroangestellte, das 18 Jahre alte Fräulein Lindemann aus Bleckendorf, wurde in den Garten geschleudert, wo sie zerfetzt starb. Vor dem Haus wurde ein Fremdarbeiter getroffen, der gerade unterwegs war. Er wurde schrecklich verstümmelt. Die großen Kastanienbäume, welche die Magdeburger Straße säumten, lagen zersplittert in dem großen Bombentrichter, der wohl einen Durchmesser von zehn Meter hatte und 2,50 Meter tief war.
Auf dem Grundstück der Familie Gosse wurden zwei Blindgänger gefunden, die schnellstens entschärft und abtransportiert werden sollten. Es ist interessant und grausam zu hören, wie das gemacht wurde. Es wurden KZ-Häftlinge herbei geholt, eventuell aus dem Lager Tarthun. Die packten einen großen Wall aus Strohballen um die Bomben und mussten sie dann mit großen Hämmern bearbeiten. Als nichts passierte, das heißt, dass es echte Blindgänger waren, wurden sie mit einem Lkw abgeholt.
Ulrich Schmundt war damals gerade erst vier Jahre alt, kann sich aber noch sehr konkret an diesen Tag erinnern. „Das Vier-Familien-Wohnhaus in der Magdeburger Straße 2 lag ja etwa gegenüber der Abwurfstelle. An besagtem Tage war klarer Himmel. Meine fliegeralarmgewöhnte Großmutter aus Magdeburg war zu Besuch. Die Sirenen ignorierte sie, nach dem Motto, hier in Egeln passiert ja nichts. Ich saß am Fenster, hörte der Geschichte, die meine Großmutter wie immer spannend erzählte, zu. Dann wurde meine Aufmerksamkeit von den am Himmel vorbeiziehenden, in der Sonne silbern glänzenden Bombern in Anspruch genommen. Jäh unterbrochen von berstenden Fensterscheiben und von der Druckwelle aufgeschreckt, hasteten wir aus der Wohnung die Treppen runter in den Kohlenkeller, der als Luftschutzraum diente. Meine Großmutter hatte mich immer noch fest im Griff . Noch einer Ewigkeit kam wohl dann die Entwarnung. In der Wohnung war Chaos. Später wurden dann die Fenster zur Tischlerei, im hinteren Teil des Hofes gelegen, gebracht und zugenagelt. In der Wohnung war es dann dunkel. Bis zum 16. Januar 1945 hielten wir uns dann bei der Großmutter in Magdeburg am Hasselbachplatz 2 auf“, schrieb Ulrich Schmundt an Museumsleiter Uwe Lachmuth, der der Volksstimme auch die Erinnerungen von Hans Grube zur Verfügung stellte.
Blick vom Schwan - Richtung Magdeburger Str.
Text von René Kiel