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Zusammen für Egeln

Als die Amerikaner 1945 in Egeln einzogen

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Französische Kriegsgefangene vor der Jahnturnhalle

Vom Kriegsgeschehen bekamen die Egelner zunächst nur wenig mit. Erst im Februar 1944 verirrten sich Bomber nach Egeln und versuchten, einige Bomben über dem Egelner Gaswerk abzuwerfen, was aber glücklicherweise verfehlt wurde. Die abgeworfenen Bomben fielen auf Häuser in der Magdeburger Straße, wobei drei Tote zu beklagen waren. Am 7. Juli 1944 kam es zu einer großen Luftschlacht. Als die Lage immer aussichtsloser wurde, wurden auch in Egeln Volkssturmkommandos einberufen. Diese meist alten Männer sollten mit noch älteren Gewehren und knapper Munition retten, was nicht mehr zu retten war. Im März 1945 wurden nochmals 16-jährige zu den Waffen gerufen und starben kurz vor Kriegsende den „Heldentod“. Das Kriegsende kam immer näher und damit zuerst die Amerikaner nach Egeln. Obwohl schon alles aussichtslos war, doch die NSDAP propagierte noch immer die Kriegswende.

Der ehemalige Ortschronist Hans Grube gab 1997 eine kleine Broschüre mit dem Titel “Schicksalstage einer kleinen Stadt“ heraus. Darin schildert er die Übernahme der Stadt durch die Amerikaner.

Die Berichte über die nahende Kampflinie oder über die Fronten brachten die Menschen in eine sehr brisante Stimmung. Die einen hätten sich sicher gern in ein Mauseloch verkrochen, die anderen sehnten die „Amis“ herbei, und immer noch retten, was nicht mehr zu retten war.

Als bekannte wurde, dass die stark zerstörte Stadt Halberstadt den amerikanischen Truppen kein Hindernis mehr war, erging am 11 April 1945 von der Nazi- Ortsleitung im Rathaus der Befehl, die Hauptdurchgangsstraße mit starken Straßensperren zu blockieren. Es wurden starke Balken in die Straßendecke gerammt, ein Damm aus Steinen, Holz und Erde aufgeschüttet und daneben Baumstämme zur schnellen Verstärkung aufgeschichtet. Das geschah über dem Breiteweg zwischen dem Hospital (heute Bürohaus und der Klosterscheune, und um die Umgebung über die Worthstraße zu verhindern, entstand auch noch eine weitere Sperre zwischen Bäckerei Thienemann (Ecke Bergstraße) und den gegenüberliegenden „Gasthof Drei Kronen“ (heute Spielkasino Zeidler).

Aber trotz der brutalen Drohungen der Partei-und Regierungsbonzen gab es auch in Egeln einige beherzte und tapfere Männer, welche es in der Nacht fertigbrachten, diese für die Stadt und ihre Bürger lebensgefährliche Sperren soweit wieder abzubauen, dass es für die anrückenden Truppen kein Anlass werden konnte, sich mit Gewalt den Weg in die Stadt zu bahnen. Daran beteiligten sich einige Handwerker, Mitglieder der „ Technischen Nothilfe“ und der Feuerwehr mit den Volkssturmmännern Hermann Schade (Mühle), Albrecht Stumpe und Hermann Wiegleb (beide Rechtsanwälte in Egeln) Die anwohnenden Bürger hörten deutlich das tatkräftige „Hau-Ruck “! der schweren Arbeit in der Nacht. In den Vormittagsstunden den 12. April 1945 ging dann der Ruf durch die Stadt: „Die Amis kommen“!

Viele verbrachten die ersten Stunden der Ungewissheit in Kellern und Bunkern. Kaum einer ging sorglos über die Straße, sie alle erwarteten mit großer Sorge den jahrelang verteufelten Feind, damit auch das Ende des grausamen Krieges und damit auch die Stunde der Befreiung. So mancher hat allerdings auch Abschied nehmen müssen von den Ideen des „Großdeutschen Reiches“ und der weltverändernden Allmacht; für diese Leute war es ein banges Erwachen und wohl auch die Angst vor den erwarteten Konsequenzen.

Die ersten amerikanischen Truppen kamen aus der Halberstädter Straße bis zur Schäfergrabenbrücke, die Gott sei Dank nicht vermint war. Als Spitze kam ein Panzerspähwagen und ein offener Jeep mit einem aufgebauten Maschinengewehr. Als dann plötzlich aus der Stadt kommend, ein deutsches Wehrmachtsfahrzeug auftauchte, waren die Amis schnell ran und verfolgten die Flüchtenden in die Tarthuner Straße. An der Ecke Worthstrasse/Tarthuner Straße wurden ihnen noch ein paar Feuerstöße nachgesandt, wohl ohne sichtbaren Erfolg. Aber ein fünfjähriger Junge, Werner Bohne, das Kind einer Duisburger Gastfamilie, wurde auf der Straße tödlich getroffen, als er mit der Hauswirtin vom Milcheinkauf kam. Der Milchhandel Krüger lag neben Bäckerei Würpel. Die Familie Bohne wohnte Tarthuner Strasse 40 bei Familie Radau.

Beim Einzug der amerikanischen Truppen mit Panzern und weiteren Fahrzeugen wurde sofort der Breiteweg als Hauptdurchgangsstraße gesichert. Eine weitere Kolonne bewegte sich zum Rathaus, das sofort besetzt wurde. Dort wurde die Leitung der damaligen Verwaltung, an der Spitze der Ortsgruppenleiter der NSDAP, der gleichzeitig Bürgermeister war, Otto Wesemann, verhaftet.

Otto Wesemann und sein Stellvertreter wurden abgeführt und mussten auf der Kühlerhaube eines amerikanischen Jeeps Platz nehmen und konnten nun, kreuz und quer durch Egeln gefahren, noch einmal „die Parade abnehmen“. Doch das war für die beiden Herren noch ein recht glücklicher Abgang, weil sie nach Westdeutschland verbracht, dort später entlassen und hochbetagt als frei Bürger gestorben sind, wobei über 40 kleine, harmlose Parteikader aus Egeln später im KZ- Lagern lange büßen mussten und 22 davon den Tod fanden.

Beim Einzug der amerikanischen Truppen wurde neben dem Rathaus auch die ehemalige „Commerzbank“ (heute Ärztehaus am Markt) und die Post besetzt, wo sämtliche Fernsprechleitungen zerstört wurden. Nach dem ersten Schreck löste sich schnell die Angst in Neugier auf und die Leute standen an den Straßenecken wo auch so manches Gespräch mit den Besatzern zustande kam. Die Militärverwaltung – die Kommandantur- wurde in dem repräsentativen Gebäude der „Commerzbank“ am Markt eingerichtet und nach zwei Tagen ein kommissarischer Bürgermeister gesucht der den im Amt verbliebenen Verwaltungsangestellten vorstehen sollte.

So wurde am 14. April 1945 der Pfarrer der evangelischen Stadtkirche Herr Pfarrer Adolf Strewe von der Militärregierung zum amtierenden Bürgermeister der Stadt Egeln berufen. Übrigens wurde in der Nachbargemeinde Westeregeln der katholische Pfarrer Wilhelm Ziemann ebenfalls dort zum Bürgermeister bestellt.

Von Hans Grube