Zum Hauptinhalt springen
Zusammen für Egeln

Minna Faßhauer

Beitrag anhören… 00:00 00:00

Minna Faßhauer, geborene Nikolai, (* 10. Oktober 1875 in Bleckendorf; † 28. Juli 1949 in Braunschweig) war vom 10. November 1918 bis zum 22. Februar 1919 für die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) in der Sozialistischen Republik Braunschweig Volkskommissarin für Volksbildung. Sie war als Mitglied in mehreren politischen Parteien aktiv.

Minna Faßhauer war die erste Frau, die in Deutschland ein Ministeramt bekleidete.

Prägende Jugendjahre

1875 wurde Minna Nikolai als Tochter des Arbeiters Theodor Nikolai und dessen Ehefrau Dorothea, geb. Schmidt geboren und stammte somit aus einfachen Verhältnissen. Als sie drei Jahre alt war, verstarb ihr Vater. Von 1881 bis 1889 besuchte sie die Volksschule in Bleckendorf. Da die Familie keinerlei finanzielle Unterstützung erhielt, mussten die Kinder bereits früh für sich selbst sorgen. So trug sie schon während ihrer Schulzeit mit zum Lebensunterhalt der Familie bei, indem sie nebenher arbeitete.

Sie selbst beschreibt dieses prägende Erlebnis in ihrem Lebenslauf: „Durch die Tatsache, dass ich schon im frühen Kindesalter gezwungen war zu arbeiten und mein ganzes Leben arbeiten musste, um den Lebensunterhalt sicherzustellen, wurde ich frühzeitig darauf hingelenkt, mich mit den Ursachen für das Elend der breiten Masse vertraut zu machen.“ Diese soziale Notlage führte dazu, dass Nikolai beschloss sich „illegal“ in der Arbeiterbewegung zu engagieren insbesondere deshalb, weil zur damaligen Zeit „die Frau keine politische Gleichberechtigung besaß“. Diese Gleichstellung wurde eines ihrer wichtigsten Anliegen.

Erstes politisches Engagement

Nikolai kam 1893 nach Braunschweig, wo sie zunächst als Dienstmädchen arbeitete, später war sie Flaschenspülerin, Waschfrau und Arbeiterin in der Konservenindustrie. Lesen und Schreiben hatte sie in ihrer Kindheit und Jugend nicht gelernt, erst als sie erwachsen war, brachte sie sich beides selbst bei. So kam sie auch mit sozialistischen Schriften in Berührung und lernte den Schmied Johannes Georg Faßhauer, durch den sie in den Kontakt mit der Braunschweiger Arbeiterbewegung kam. Am 16. April 1899 schlossen sie in der Kirche St. Michaelis den Bund der Ehe.

Sie setzte sich bald besonders für die Rechte junger arbeitender Frauen und die Gleichberechtigung ein. Minna Faßhauer hatte auf regionaler Ebene einen großen Beitrag dazu geleistet, dass 1908 das Verbot der politischen Betätigung von Frauen aufgehoben wurde.

Hermann Wallbaum, KPD-Mitglied und Zeitzeuge der Novemberrevolution in Braunschweig, beschrieb sie folgendermaßen:

„Die wurde von der bürgerlichen Presse hingestellt als dummes Weib: kann nicht lesen und schreiben, so etwa; beherrscht die deutsche Sprache nicht. Jedenfalls war die ’ne ehrliche und aktive Frau, die für die Bewegung alles hergab. Sie war eine Waschfrau und ging von Haus zu Haus und wusch den Leuten die Wäsche. Eine richtiggehende Arbeiterin in den untersten Reihen. Merges und Robert Gehrke standen mit ihr in enger Beziehung; ich weiß bloß, daß sie sich aus dem niedrigsten Milieu raufarbeitete durch Lesen und so weiter. Verschiedene Schnitzer, die da beim Schreiben vorkamen, die hat die Bourgeoisie ausgeschlachtet.“

Im Jahr 1903 trat Minna Faßhauer in die SPD ein, wo sie nach eigenen Angaben als Referentin tätig war. Auch hier setzte sie sich insbesondere für die Abschaffung des Verbots der politischen Betätigung von Frauen ein, welches mit dem Reichsvereinsgesetz von 1908 tatsächlich aufgehoben wurde.

Minna und Georg Faßhauer wohnten in der Weststr. 12, der heutigen Hugo-Luther-Str. und hatten zwei Kinder: Otto (* 1903) wurde Schlosser und Walter (* 1906) Arbeiter.

Ein weiteres Anliegen Faßhauers war, bedingt durch ihre eigenen Erfahrungen, die Sorge um die Arbeiterkinder und die Ausbildung der Jugendlichen. Der „Bildungsverein jugendlicher Arbeiter“ wurde im Jahr 1907 als Jugendorganisation der SPD ins Leben gerufen. Der 1. Vorsitzende war Robert Wiebold, weitere Mitglieder waren die Beisitzer Walter Römling, Otto Kolbe und Fritz Benke. Der spätere braunschweigische Minister und Ministerpräsident der Deutschen Demokratischen Republik Otto Grotewohl gehörte zu den Mitgliedern des Vereins. Eine aktive Beteiligung Faßhauers an der Gründung des Vereins ist nicht belegt. Auf die Umbenennung der Organisation in „Bildungsverein jugendlicher Arbeiterinnen und Arbeiter“ im Jahr 1908 hatte sie jedoch Einfluss. Bei der in diesem Jahr in Nürnberg abgehaltenen Frauenkonferenz unter der Leitung Clara Zetkin hatte sie mit Lina Behrens als „Braunschweiger Delegierte“ teilgenommen. Aufgrund ihres Berichts wurde der Vereinsname geändert.

Vor Beginn des Ersten Weltkriegs lag das Hauptanliegen der Frauenvertreterinnen auf der Forderung nach politischer Gleichberechtigung und dem Frauenwahlrecht. Für diese Ziele setzte sich Faßhauer aktiv ein, indem sie Vorträge hielt und das Thema in Parteidiskussionen, beispielsweise dem ersten Wolfenbütteler Frauentag am 2. März 1913, ansprach.

1913 wurde zudem eine „Kinderschutzkommission“ eingerichtet, der unter anderem Minna Faßhauer, Berta Schlösser, Anne Menge und Hedwig Steinbrecher angehörten. Diese hatte es sich zur Aufgabe gemacht die Umsetzung der Kinderschutzbestimmungen aus dem Jahr 1904 sowie Maßnahmen zur gesundheitlichen und kulturellen Förderung von Kindern zu überwachen.

Erste Ministerin in Deutschland

In ihrem Amt als Volksbildungsministerin schaffte Faßhauer am 22. November 1918 die kirchliche Schulaufsicht ab, setzte die Religionsmündigkeit auf 14 Jahre herab und trat für eine weltliche Einheitsschule ein. Sie begann damit grundlegende sozialistische Reformen einzuführen. Ihr Erlass zur Gestaltung des Geschichtsunterrichts vom 16. November 1918 verbot beispielsweise die Fürstenverherrlichung oder Volksverhetzung und ersetzte die Kriegsgeschichte durch Kulturgeschichte. Darüber hinaus engagierte sie sich für die Einrichtung von Volkskindergärten und Volksschulen. Von Dezember 1918 bis Mai 1919 saß sie als USPD-Landtagsabgeordnete im Braunschweigischen Landtag. Im Januar 1919 wurde sie in den Bezirksvorstand der USPD gewählt und kandidierte erfolglos für den Reichstag. Ihre Zeit als Ministerin endete jedoch bereits am 22. Februar 1919, als die Räteregierung in Braunschweig durch eine Koalition aus USPD und SPD abgelöst wurde.